200 Jahre Gewerbeverband / BDS Coburg
Die Wurzeln und Traditionen des Ortsverbandes Coburg des Bundes der Selbständigen – Deutscher Gewerbeverband (BDS/DGV) reichen bis zum Kunst- und Gewerbeverein zurück. Der wurde am 8. Dezember 1824 im Herzogtum Coburg gegründet. Damit gehört er zu den ältesten Gewerbevereinen im heutigen Bayern und entstand deutlich vor der großen Gründungswelle in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dies lässt zudem auf am Fortschritt orientierte Vorfahren und Coburg als eine weltoffene Stadt schließen.
Als branchenübergreifende und parteiunabhängige Solidargemeinschaft für Selbständige sowie kleine und mittlere Unternehmen versteht sich der Landesverband Bayern des BDS/DGV. Er bietet seinen Mitgliedern einen umfangreichen Beratungs- und Informationsservice. Als Standesvertretung des selbständigen Mittelstandes wirkt der BDS/DGV auch auf die Politik ein. Mit Sachkompetenz und Aufgewogenheit kennzeichnen die Stellungnahmen auf allen politischen Ebenen.
Gerade in Städten und Gemeinden spielen Gewerbeverbände seit dem 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle.
Knapp 100 Mitglieder zählt der Coburger Ortsverband derzeit. Handwerker sind dort ebenso vertreten wie kleine und mittlere Industriebetriebe. Der Handel und das breite Spektrum des heutigen Dienstleistungssektors zeigen die enorme Vielfalt auch an einem Wirtschaftsstandort wie Coburg.
Vor rund 200 Jahren umfasste die Landwirtschaft noch 80 Prozent der Wirtschaft. Als Gewerbe galten die Tätigkeiten, die die verbleibenden Bedürfnisse befriedigten. Die Gewerbefreiheit brach das überkommene, mittelalterliche Zunftwesen auf und bereitete der Industrialisierung den Weg. Gegen Ende des Jahrhunderts verdrängten Großunternehmen mit Massenprodukten zu günstigeren Preisen das Gewerbe.
Bis dahin hatten die Gewerbevereine entscheidenden Anteil an der technologischen Entwicklung in der Wirtschaft, an Bildung, sozialen Einrichtungen und der Modernisierung der Städte. In Coburg wirkte der Kunst- und Gewerbeverein auf die Beleuchtung und Pflasterung von Straßen, Regulierung der Itz, der Einrichtung eines Feuerlöschwesens und den Bau von Wasserleitungen, Volksbad, Eisenbahn und Wohnungen hin.
Die erst 1827 vollendete Satzung des Kunst- und Gewerbevereins nannte eine Vielzahl bis heute moderner Ziele: Die Jugend sollte eine gute und fachgerechte Ausbildung in Kunst und Handwerk genießen. Die als „Zizmann-Stiftung“ bekannte, 1847 gegründete Unterstützungskasse wandernder Handwerksgesellen und der Verein für Handwerksgesellen beweisen, dass soziale Aspekte ebenso wenig vergessen wurden wie die Bildung der Handwerksgesellen in der Sonntagsschule.
Der Sinn für Kunst, Gewerbe und Industrie sollte belebt und die Kreativität gefördert werden. Ungenutzte Erzeugnisse aus ihre Brauchbarkeit zu untersuchen diente der Entwicklung neuer Produkte und der Erschließung zusätzlicher Erwerbsquellen. Dank verbesserter Qualität auch der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sollte deren Absatz steigen.
Der Bezug von Zeitschriften und der Austausch mit anderen Gewerbevereine bezweckte, sich über Erfindungen, Weiterentwicklungen und deren erfolgreiche Umsetzung auszutauschen. So verwundert es nicht, dass im Kunst- und Gewerbeverein eine Vielzahl von Mitgliedern aus dem mittleren und gehobenen Besitz- und Bildungsbürgertum neben 105 Handwerksmeistern aus 43 Gewerben zu finden waren.
Der Verein zählte bei seiner Gründung 39 und Ende 1824 bereits 186 Mitglieder bei einer Zahl von 8511 Einwohnern in Coburg. Dem Höchstwert von 550 Mitgliedern 1845 folgte ein tiefer Einbruch, dem erst allmählich eine Erholung auf 331 Mitglieder 1874 folgte.
Das Bildungsangebot des noch 70 Mitglieder starken „Vortragsvereins“ rettete seine Existenz trotz Gleichschaltung ein Stück weit bis ins Dritte Reich. Erst 1942 brachte der Krieg das Vereinsleben zum Erliegen. 1952 gab das Registergericht den Anstoß, dass Friedemann Lysek, der vor dem Zweiten Weltkrieg als Vorsitzender amtierte, mit dem Kunst- und Gewerbeverein den Neubeginn wagte und ihn 30 Jahre lang weiterführte.
Gründungsdokumente aus dem Jahr 1824